Seine Warnung war eindringlich. Die Kritik gegen das Verhandlungsmandat komme inzwischen von vielen Seiten, sagte Thomas Aeschi im Interview mit CH Media. «Von den Gewerkschaften, von den Bauern, von Vertretern des öffentlichen Verkehrs, von der gesamten SVP, von Teilen der Mitte-, SP- und sogar der FDP-Basis.» Die Bevölkerung werde das Abkommen in einer Abstimmung «mit Sicherheit» ablehnen, hielt der Präsident der Wirtschaftskommission fest, der auch Fraktionschef der SVP ist. Dann stünde die Schweiz vor einem Scherbenhaufen, weshalb die Regierung die Verhandlungen abbrechen müsse.
Aeschis Auftritt kommt bei vielen Kommissionsmitgliedern nicht besonders gut an. Hinter vorgehaltener Hand ist sogar die Rede von einer «Katastrophe». Ein Parlamentsmitglied, das nicht der WAK angehört, spricht gar davon, die Kommission müsste Aeschi als WAK-Präsident absetzen.
Verschiedene Kommissionsmitglieder kritisieren, Aeschi habe seine Funktionen als Kommissionspräsident und Fraktionschef vermischt. «Wenn er dieses Interview in seiner Funktion als Präsident der Wirtschaftskommission gegeben hat, ist es falsch oder inkorrekt», sagt FDP-Nationalrat Beat Walti. Die Forderung, das Verhandlungsmandat abzubrechen, widerspiegle «sicher nicht» die Meinung der Kommission. «Wenn er dies allerdings als Fraktionschef der SVP sagt, sei es ihm unbenommen.»
Ähnlich argumentiert Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy. «Ich habe das Interview so gelesen, dass er primär als Fraktionspräsident der SVP gesprochen hat», hält er fest. «Die Hinweise auf die Kommissionsberatungen und damit die indirekte Vermischung beider Funktionen erachte ich als unsensibel.» Hier erwarte er künftig eine striktere Trennung.
Falls er das Interview in seiner Funktion als Präsident der Kommission gegeben habe, «hätte er die Sachlage im allgemeinen Interesse der Kommission ausgewogener darlegen müssen», betont auch Mitte-Nationalrat Leo Müller. «Die Kommission hat dem Verhandlungsmandat mit 16 zu 8 Stimmen und einer Enthaltung zugestimmt. Das ist kein knapper Entscheid.»
Noch deutlicher wird SP-Nationalrat David Roth. «Was Thomas Aeschi als Kommissionspräsident gemacht hat, finde ich eine Grenzüberschreitung», sagt er. «Er sollte sich entscheiden, ob er als Kommissionspräsident für die ganze Kommission sprechen will oder seinen Hut als Fraktionschef trägt.» Aeschi habe im Interview Meinungen von Experten wiedergegeben, die ihm genehm seien und die er in die Kommission eingeladen habe. «Bei Professorin Astrid Epiney hingegen bestätigt er gerade mal ihre Anwesenheit.»
Im Luzerner Kantonsparlament, in dem er zuvor gesessen habe, wäre ein solcher Auftritt als Kommissionspräsident «nicht denkbar» gewesen, sagt Roth. «Falls das in Bern üblich sein sollte, fände ich es zumindest gewöhnungsbedürftig.» Dass die Wirtschaftskommission keine eigene Medienkonferenz zum Verhandlungsmandat abgehalten habe, sei «logisch», hält Roth fest. «Es ist ein Geschäft der aussenpolitischen Kommission. Hätte jede Kommission beider Räte eine Medienkonferenz gemacht, wäre die Kakofonie perfekt gewesen.»
SP-Co-Präsident Cédric Wermuth findet, dass sich Aeschi «grundsätzlich natürlich weiterhin politisch äussern» dürfe, wie er sagt. «Er muss dabei aber die unterschiedlichen Kompetenzen und die Entscheide der Kommission respektieren.»
Was hinter den Kulissen trotz der Kritik aber auch spürbar ist: Viele im Parlament teilen Aeschis Einschätzung, dass es Widerstand von vielen Seiten gegen das Verhandlungsmandat mit der EU gibt. (aargauerzeitung.ch)